SONGS & LIEDER

Das Titelfoto dieser Seite zeigt das Cover meiner ersten CD (2019), deren Booklet Sie hier einsehen können.

HÖRBEISPIELE

Songs & Lieder – in der Reihenfolge der CD WORTE TASTEN (2019)

Schmetterling I (für Maria B.)

Schmetterling, du bist so behänd’,
schwingst sanft auf deinen Flügeln,
wie im Tanz zur Sommermelodie
hauchst du vorbei im Flug.

Zierst die Blüten flatternd auf und ab,
ziehst Nektar lautlos leise,
ruhst und richtest wie zum Dankgebet,
aufrecht, Falter, deine Schwingen.

© Text & Musik: Ulrike Graf, 2017

Wie’s mir geht

1. Im Flur, du fragst mich täglich: „Wie geht’s dir?“
S’ist Pause, eine unserer Alltagslücken.
Ich atme ein: „Ach, weißt du, ehrlich jetzt und g’rade hier …“
Schon seh’ ich nur noch deinen Rücken.
Willst du wirklich wissen, wie’s mir geht?
Verweil’ noch einen Augenblick.

2. Beim Kaffeeschlürfen: Was mich so bewegt,
erzähle und benenne ich.
Schon höre ich, kaum dass ich eine Pause eingelegt:
„Das kenn’ ich!“
Willst Du wirklich wissen, wie’s mir geht?
Lass gelten, was ich sage.

3. In milde Abendruhe eingehüllt,
als ob erneut der Wein würd’ gären,
sprech’ ich davon, was mich in meinem Inneren berührt –
hör’ dich mein Leben mir erklären.
Willst du wirklich wissen, wie’s mir geht?
Lass zu, berührt zu werden.

– Instrumental –

Willst du wirklich wissen, wie’s mir geht?
Hör’, was ich schweige

© Text & Musik: Ulrike Graf, 2017

Aufrecht geh’n

1. Ich wollte aufrecht steh’n
als Kind, ganz unbedingt.
Der Kraft war nicht zu entflieh’n,
mein Leib hat mich gedrängt.

2. Jugendlich reckte ich
mich zu Idolen hin.
Portraits an Wände ich steckte, fragt’ mich,
wer ich wohl bin.

3. Ob Gandhi, Jesus, Grüne,
Mohammed oder Bob Dylan:
Ich selbst fehlte auf der Bühne,
aufzurichten meinen Willen.

4. Ich lernte leben
mit Liebe, Freundschaft und Glück.
Und dann gab es diese Beben,
warfen Scheitern und Leid mich zurück.

5. Gebeugt zum Boden hin,
das Kreuzweh nahm überhand,
fand im Aufstand ich neuen Sinn,
Freunde bückten sich, reichten die Hand.

6. Das Kreuz, es bleibt im Rücken
das Zentrum der Aufrichtigkeit.
Nicht vor, für and’re sich bücken,
dient unserer Mitmenschlichkeit.

– instrumental –

7. Menschen gibt’s, die –
selbst liegend – aufrecht noch geh’n,
aufrecht auch im letzten Tanz
die endgültige Runde dreh’n.

© Text & Musik: Ulrike Graf, 2017

HinGabe

Szene I: Der Leser

Feierabend, völlig voll gefüllt der Zug,
sitzt er, versunken in den Sitz, das Buch,
um ihn herum die Kofferrollen eilen,
kein Schaffner, Gast noch anderer Besuch
dringt zwischen seine Zeilen,

die aus Gedanken eines andern hier geronnen,
zu Buchstaben, in denen eine neue Welt begonnen
hat zu sein: Wann immer sie gelesen,
die echten oder die fiktiven Wesen,
schon sind sie Teil der Welt. Du weißt,

dass unser Hingegebener jetzt zweifach reist:
schwerkraftverbunden seinem Sitz entlang der Gleise,
und auf ganz verbor’gne Weise –

ja wo? Er in der Tintenwelt?
Sie in sein Hirn gestellt?
Inmitten seiner Schwarzfahrergesell‘n, ganz unbeseh’n,
ist es um seine Hingabe gescheh’n,
wenn er nur hängen bleibt
an einem Wort, das sich ihm einverleibt,
das in ihm west und wandelt,
mit ihm um seinen Wert verhandelt,
ihn nicht mehr lässt frei,

Kaum aus dem Buch erwacht, ist er dabei,
das dichte Rushhour-Gedränge zu durcheilen,
mit dem, was er erlebt zwischen den Zeilen
und ihn seither gefangen hält –
vielleicht ein wenig verwandelt, er – die Welt

Refrain
Verloren an den Augenblick,
ganz hingegeben – frei,
bist du gewonnen für die Welt,
verbunden, dienstbereit.

Szene II: Das Kind und die Schnecke

Auf ganzen Füßen hockt es still,
den Blick gebannt ganz fest.
Die Schneck’ zur andern Seite will,
es fehlt nur noch ein Rest.
Ob sie’s schafft? Es stupst sie
sanft, schon verschwunden im Haus eingerollt ist ihr Leib,
in dem sie jetzt erst einmal abwartend verbleibt.

Das Kind, es wartet mit Geduld,
die Schnecke lässt sich Zeit.
Es scheint, sie sind im Wettbewerb
um ihre Langsamkeit.
Schon bewegt das Häuschen
sich und die Fühler schau’n neugierig tastend hinaus,
da steht es auf, das Kind, gibt seinem Tier Applaus.

Refrain
Verloren an den Augenblick,
ganz hingegeben – frei,
bist du gewonnen für die Welt,
verbunden, dienstbereit.

Szene III: Der Musiker

Hochgezogen ist der Vorhang kaum,
schon öffnet sich der Raum.
Die Stille gibt sich zu Gehör,
nichts hält ihn mehr im Zaum.
Er verbindet sich mit Leib und Geist,
atmet, legt los, ist präsent und versinkt –
für uns die Luft durch ihn im Dienst der Noten klingt.

Verbunden mit dem Instrument
durch Mund, durch Hand, durch Stand,
nutzt er Gesetze der Physik,
sie trifft uns als Musik –
unser Leib empfängt sie,
noch eh der Geist ist erwacht zum bewussten Gefühl,
geh’n wir erregt, bewegt mitten durchs Konzertgewühl.

Refrain
Verloren an den Augenblick,
ganz hingegeben – frei,
bist du gewonnen für die Welt,
verbunden, dienstbereit.

Szene IV: Immer irgendwo

Angezogen voneinander
gibt es kein Halten mehr.
Sie wollen zueinander,
sie wollen es gar sehr.
Hingegeben lösen
sie das liebende Erbarmen vertrauensvoll ein,
bau’n auf Verbindendes, jetzt Trennendes verzeih’n.

Gezeugt wird neues Leben hier,
nicht immer als ein Kind;
wohl stets ein Leben neu im Wir,
weil beide fruchtbar sind,
wenn sie sich überschreiten,
einander Lust sie bereiten,
öffnen Leib und Geist,
wenn jeder, näher geht’s nicht, zu dem andern reist.

– instrumental –

Refrain
… bist du gewonnen für die Welt,
verbunden, dienstbereit.

© Text & Musik: Ulrike Graf, 2017

Sieh‘ an

1. Du siehst mich an der Haltestelle steh’n.
Ich bin Dir fremd, mein „Down“-Gesicht.
Ich spüre, wie du neugierig und unsicher noch schwankst,
wohin mit deinem Blick.
Vertrau’, es gibt ein Anseh’n, das nicht starrt,
in dem mich dein Interesse wärmt,
dein Blick die Hand mir reicht.

Refrain.
Sieh an, ich bin ein Mensch wie du,
der and’re braucht, der geben will,
der liebt und auf Vergebung angewiesen bleibt.
Sieh mich an.

2. Du hältst dich am selben Griff der Trambahn fest,
so fremd und nah, mein Kopftuchschmuck.
Ich merke, wie du zwischen Tuch und Antlitz pendelnd suchst,
was in deinen Augen gelten soll.
Vertrau’, es gibt ein Anseh’n, das nicht teilt,
in dem ein Augen-Blick uns beide einfach Mensch sein lässt.

Refrain
Sieh an, ich bin ein Mensch wie du,
der and’re braucht, der geben will,
der liebt und auf Vergebung angewiesen bleibt.
Sieh mich an.

3. Samstäglich triffst du mich in der Einkaufsmeile an,
stets hoffend, oft enttäuscht mein Bettlerblick.
Ich sehe, wie du noch entfernt im Zick-Zack unentschieden wankst:
hin zu mir oder mich weit-räumig umgeh’n?
Vertrau, ein Blick in mein Gesicht wär’ nicht umsonst,
weil dann mein Wert nicht mit dem Cent im Becher unterging

Schlussrefrain:
Schau’ her, Menschsein bleibt inperfekt,
was uns beschränkt, ist doch auch das,
was uns zum Menschsein erst befreit und milde macht.
So zu lieben bist begabt auch Du.

© Text & Musik: Ulrike Graf, 2018

Kleinst-Ode an die Freunde

Als hätt’ es nie ein Leben ohne Dich gegeben:
Reich bin ich. Leicht bin ich. Du trägst mich mit,
auch wo ich mich zur Seite legen will,
da biegst Du ab mit mir zur Haltebucht
und suchst mich auf, wo ich mir selbst so fremd,
bleibst neben mir,
bis wir gestärkt im Hin und Her
die eig’ne Lebensroute weiterzieh’n.
Was wär’ ich ohne Dich, mein Freund?!
Ein Suchender nach Dir.

© Text & Musik: Ulrike Graf, 2018

Schmetterling II

Schmetterling, bist so behände,
schwingst in der Luft deine Flügel,
tanzend wie auf einer Sommer-
melodie hauchst du vorbei.

Zierst die Blüten flatternd auf und ab,
ziehst Nektar lautlos leise,
ruhest und richtest wie zum Dankgebet
aufrecht, Falter, deine Schwingen.

© Text & Musik: Ulrike Graf, 2017

Video

Einander

Füreinander da sein, nacheinander seh’n,
sich auseinandersetzen, zueinander steh’n.

Voneinander lernen, voreinander steh’n,
aneinander wachsen, mit Dir weitergeh’n.

© Text & Musik: Ulrike Graf, 2019 (aus Anlass einer Silberhochzeit)

Gesang: Ingrid Toth, Ulrike Graf
Klavier: Peter Hawighorst
private Aufnahme: Ulrike Graf

Wann kribbelt Dich Lebendigkeit

        Sag‘, wann kribbelt Dich Lebendigkeit?
Wenn ich den Hauch des Wachstums ahne,
meine Gänsehaut blüht.
Und ich einfach etwas tun muss,
weil mir etwas etwas wert ist,
        spür‘ ich, wie das Leben pulst.

        Sag‘ mir, wo die Liebe wohnt!
Wenn ich den Andern wachsen lasse,
auch wenn Fremdheit erst entsteht,
ich mit ihm verbunden bleibe,
Überraschung mich belebt
        ahn‘ ich, wo die Liebe haust.

        Sag‘ mir, wie Begegnung geht!
Wenn ich dich wieder einmal
in mein Weltbild hab‘ gepresst,
mehr mich selbst als wirklich dich
in den Blick genommen hab‘,
        wird Ent-Täuschung uns‘re Chance.

        Sag‘ mir, wie Streit gelingt!
Wenn kein schnelles „Ach, macht doch nichts!“
Schmerz unter den Teppich kehrt,
vielmehr Befremden, Neid und Ärger
ankern im „Du und ich“,
        weil Du mich weiter interessierst.  

        Sag‘ mir, was Achtung heißt!
Wenn jemand überseh’n wird
als Mensch bedürftig, würdevoll,
und wer aufrecht, klar und mutig,
seinen Wert ins Spiel zurückführt,
        wirft er den Anker der Mitmenschlichkeit.

        Sag‘ mir, wie du traurig bist.
Wenn ich jemand echt vermisse,
die Leere gelten darf,
ich den Raum, in dem er fehlt
neu mit Leben füllen kann,
        ohne ihn daraus zu vertreiben.

        Sag‘, wann du erwachsen bist?
Wenn ich schon mal dem Bedauern
in sein Gesicht geschaut hab‘,
merkte, auch in meinem Leben
galt es zu treffen manche Wahl,
        erwächst die Kraft, zu mir zu steh’n.

© Text & Musik: Ulrike Graf 2019/20

Aufnahme: REIF–Mastering, Heidelberg, 2022